Klimawandel im Verein

Liebe Gartenfreundinnen und Gartenfreunde,    

Es vergeht zur Zeit keine Woche, in der nicht Rücktrittserklärungen von Vorständen per E-mail oder Telefon in der Geschäftsstelle des Landesverbandes eingehen und als Grund wird stets angegeben: Ich kann machen, was ich will, den Mitgliedern/Pächtern ist das völlig egal – ich schaffe das nicht mehr. Tragischerweise sind es immer Vorstandsmitglieder, die ihr Ehrenamt ernst nehmen und ihren Verein und ihre Anlage nach „Recht und Gesetz“ führen wollen, also nach den vom Vereinsrecht (Bürgerliches Gesetzbuch, BGB), Bundeskleingartengesetz (BKleingG) und im Vertragsverhältnis mit dem Verpächter (Bebauungsplan, Generalpachtvertrag, etc.) vorgegebenen Rahmenbedingungen. Auch uns von der Geschäftsstelle wird in letzter Zeit häufiger als früher vorgeworfen, nur noch „juristisch unterwegs“ zu sein und die zwischenmenschlichen Aspekte des Vereins- und Kleingartenlebens zu vernachlässigen. Es ist daher an der Zeit für ein paar deutliche Worte:     

Wie überall dort, wo Menschen zusammenleben und wirken müssen, gibt es auch in einem Verein und in einer Kleingartenanlage Spielregeln, die – und das wird leider nur noch selten so gesehen – sicherstellen sollen, dass jedes Mitglied, jede Kleingärtnerin und jeder Kleingärtner dasjenige Maximum an Freiraum und Gestaltungs-/Einbringmöglichkeiten hat, das es geben kann, ohne jemanden anderen in seinen Rechten einzuschränken!

Die das Vereinsleben in geregelte Bahnen lenkende Satzung oder die das Tun oder Lassen in der Kleingartenanlage und auf den Parzellen bestimmende Gartenordnung sind also keine Instrumente zur Gängelung, sondern basieren auf dem im Volksmund mit den Worten „Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu“ zusammengefassten Kategorischen Imperativ des deutschen Philosophen Immanuel Kant. Beide sind zudem in weiten Teilen nicht dem Verein überlassen, sondern den zwingenden Vorgaben des BGB bzw. des BKleingG unterworfen, die ebenso wenig diskutierbar sind wie die Tatsache, dass man als Autofahrer eben anhalten muss, wenn die Ampel Rot zeigt. Und wenn ich die Verkehrsregeln als für mich nicht maßgeblich erachte, sollte ich mich besser gleich gar nicht hinters Steuer setzen …     

Der den Verein gemäß § 26 BGB vor dem Gesetz vertretende Vorstand – und zwar alle (!) von der Satzung dazu berufenen Vorstandsmitglieder – ist in seinen Handlungen oder Entscheidungen nicht frei, sondern bis auf Punkt und Komma an die Vorgaben der Satzung, der Gartenordnung, des Generalpachtvertrages u.a. Regelwerke oder Verträge gebunden. Missachtet er diese vorsätzlich, kann das bis zur persönlichen Haftung führen, wenn durch aktives Verstoßen ebenso wie auch bewusstes „Augenzudrücken“ dem Verein, seinen Mitgliedern oder auch irgendjemandem sonst (juristisch: Dritten) Schaden entstanden ist. Es ist also weder Unwille noch Schikane, wenn der Vorstand Wünsche von Mitgliedern oder Pachtenden ablehnen muss (!), wenn diese den obengenannten Regelwerken widersprechen – er hat gar keine andere Wahl, denn sonst würde er sich selbst angreifbar, zivilrechtlich haftbar und im schlimmsten Fall sogar strafbar machen. Und noch besser wäre es, wenn sich diese Mitglieder oder Pachtenden schon vor ihrem Herantreten an den Vorstand durch eigenes Lesen der Regelwerke darüber informiert hätten, ob ihr Ansinnen überhaupt zulässig ist. So könnte viel Enttäuschung auf der einen und Bearbeitungszeit auf der anderen Seite gespart und für sinnvollere Dinge verwendet werden.   

Und genauso wie der Vorstand sind auch die Mitglieder der Satzung und den Vereinsordnungen, die Pachtenden der Gartenordnung und den Vorgaben in ihrem (Unter)Pachtvertrag unterworfen, denn alle haben freiwillig sowohl den Mitgliedsantrag wie auch den Pachtvertrag unterschrieben und damit versprochen, die „Spielregeln“ einzuhalten.   

Dass diesen relativ geringen Einschränkungen ein ungleich größerer Gewinn an Freizeit-, Gesundheits- und letztendlich damit Lebensqualität gegenübersteht, wurde uns in den Corona-Zeiten einprägsam bewusst und sollte nicht vergessen werden.   

Wären wir jetzt in der Politik, würde es bei diesem simplen Lamento über uneinsichtige Mitglieder und Pachtende bleiben, aber unternehmen wir doch einen Erklärungsversuch und blicken dafür ein paar Jahre in die Vergangenheit zurück:   

Natürlich gab es auch schon früher Ärger und Streitigkeiten um nicht erfüllbare Vorstellungen oder Wünsche von Mitgliedern und Pachtenden, aber es war in den meisten Fällen – glücklicherweise – möglich, in sachlichem Gespräch mit den entsprechenden Argumenten das Verständnis dafür zu erreichen, weshalb das Gewünschte nicht erfüllt werden konnte, und wieder zu einem „entkrampften“ Verhältnis zwischen Vorstand und Mitglied bzw. Pächter/in zurückzufinden. Beginnend schon vor der „Corona-Periode“, aber während und vor allem nach dieser „explodieren“ die bei uns eingehenden Klagen über völlig „unzugängliche“ Mitglieder und Pachtende geradezu – während in der Gesellschaft nicht nur Polizisten, sondern auch uniformierte Rettungskräfte im Einsatz massiv behindert und sogar vorsätzlich angegriffen und verletzt werden. Was hat sich verändert, dass heute so etwas früher Undenkbares passiert und was geht in den Köpfen der Menschen vor, die Feuerwehrleute und Rettungssanitäter attackieren?    

Geändert hat sich zweifellos das Verhältnis Bürger – Staat: Wurde „Vater Staat“ früher trotz seiner immer leeren Taschen vor allem als Fürsorgeinstitution in unverschuldeten Notsituationen und Garant für ein geregeltes Leben gesehen, hat sich dies seit den das selbstbestimmte Leben und sogar die persönliche Freiheit einschränkenden Corona-Maßnahmen grundlegend geändert.   

Und kaum hatte man nach Corona wieder halbwegs in den Alltag zurückgefunden, begannen die nächsten massiven Eingriffe der Politik in das Privatleben, diesmal unter dem Diktat des Klimawandels, kurz danach weiter verstärkt von der Energieknappheit durch den unseligen Ukraine-Krieg und aktuell getoppt von dem Spagat zwischen den aus politischem Wunschdenken „von oben“ zwangsverordneten, aber angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Risiken und der Inflation für die Mehrheit der Bevölkerung in der Realität nicht (mehr) finanzierbaren Energiesparmaßnahmen. Verstärkt wird dieses Bild von einem „Über-Staat“ noch durch den – nachvollziehbaren – Eindruck, dass sich die Politik völlig aus dem Alltag der von ihr eigentlich zu vertretenden Gesellschaft zurückgezogen hat und die Bedürfnisse und Probleme der Bürger/innen völlig ignoriert.    

Dieser Mischung aus drohenden unentrinnbaren Zwangsmaßnahmen, dem Gefühl, politisch nichts ändern zu können und auch sein Leben nicht mehr selbst in der Hand zu haben, entsprießen die rasant zunehmenden psychischen Probleme als Folge von mentaler Überbelastung, der rapide wachsende Egoismus aus dem verzweifelten Bestreben, schnell noch ein Stück des „Kuchens“ für sich zu retten und eben auch sinnlose Gewalt als Ausdruck schierer Ohnmacht. Und vermutlich unterliegen auch die Funktionsträger in den Bezirken und Vereinen sowie auch wir vom Landesverband dieser „obrigkeitlichen Sippenhaft“.    

Aber dieses „Überdruck-Ventil“ dürfen nicht unsere Mitmenschen sein und erst recht nicht unsere Mitstreiter/innen für die gute Sache im Verein, denn damit schaden wir uns selbst am meisten, weil wir den Fortbestand unserer Vereine nicht nur riskieren, sondern wahrlich gefährden: Ohne Vorstand kein Verein, ohne Verein keine Kleingartenanlage und ohne Kleingartenanlage eben auch keine Kleingartenparzelle – so einfach ist das.    

Und auch die Hoffnung mancher Pächter/innen, dass die Kommune als Grundstückseigentümer bei Auflösung des Vereins mangels ehrenamtlicher Funktionsträger die Verwaltung der Anlage in Eigenregie übernimmt, hat sich schon als Trugschluss erwiesen, denn eine solche und nicht unaufwendige Zusatzaufgabe ist für die personell ohnehin schon unterversorgten Städte und Gemeinden schlichtweg nicht leistbar – oder die beträchtlichen Kosten werden den Pächterinnen und Pächter in Rechnung gestellt.    

Ebenso ein Holzweg ist der Lösungsversuch über „bezahlte Vorstände“ – auch zu diesem Thema sind schon Anfragen bei uns eingegangen – denn das Kleingartenwesen steht und fällt mit dem Ehrenamt, der Verwaltung der Kleingartenanlagen durch gemeinnützige Vereine.    

Ist eine solche nicht mehr möglich, könnte sie analog zu der Verwaltung von Immobilien durch vom Grundstückseigentümer beauftragte und von den Pachtenden (teuer) zu bezahlende „Kleingartenverwaltungen“ erfolgen und damit wäre das zentrale Fundament des BKleingG, nämlich die Sozialverpflichtung, unterhöhlt und der gesetzlich verankerte Schutz der Kleingärtner/innen in Deutschland massiv gefährdet.     

Nicht der Vorstand oder andere Funktionstragende sind der Verein, sondern Sie alle und daher trägt auch jedes Mitglied und jede/r Pächter/in die volle Verantwortung für dessen Wohl und Wehe.    

Mit ein bisschen mehr Einsicht, dass Vorgaben ihren Sinn haben, Rücksicht und Menschlichkeit im Umgang miteinander sowie Weitsicht hinsichtlich der aus den gesellschaftlichen Veränderungen resultierenden zukünftigen Anforderungen an unsere Vereine, wäre die Arbeit der Ehrenamtlichen wieder eine Freude, die ihre Kraft, ihre Nerven und ihre Lebens(!)zeit für Ihren Verein, Ihre Kleingartenanlage und Ihre Parzelle opfern. Sie selbst sind Ihres eigenen Glückes Schmied!      

Harald Schäfer, Fachberatung