Inventur der Vögel

Liebe Gartenfreundinnen und Gartenfreunde,    

Zweimal im Jahr ruft der NABU zum Vogel zählen auf. Auch hessische Kleingärtner beteiligen sich an dieser Inventur der Vögel. Zum Beispiel Holger Schanz, Mitglied im KGV Buchenhau im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen. Als künftiger Fachberater will er sein Wissen schon bald auch mit den anderen Mitgliedern teilen. Text: Jörg Nowicki   

Frankfurt, KGV Buchenhau, Parzelle 412, an einem Samstagmorgen im Januar. Die Stunde der Wintervögel beginnt für Holger Schanz um 10:25 Uhr mit einem elegant über die Kleingartenanlage schwebenden Graureiher. Es folgen noch stolze 20 weitere Vogelarten, die Schanz an diesem Wintermorgen erfassen wird. Die Stunde der Wintervögel hat 2005 der bayerische Landesbund für Vogelschutz (LBV) ins Leben gerufen. Seit 2011 gibt es sie auf Initiative des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) bundesweit. Jedes Jahr an einem Wochenende im Winter (2023: 6. bis 8. Januar) fordert der NABU in Deutschland dazu auf, eine Stunde lang Vögel zu zählen. Eine Art Inventur der Vögel in Gärten, auf Balkonen, an Futterstellen, in Parks oder in Wäldern. Das Prozedere ist einfach: gezählt wird die maximale zu einem Zeitpunkt beobachtete Anzahl einer Art. So werden Dopplungen ausgeschlossen, wenn also Vögel innerhalb der Stunde wegfliegen und dann wiederkommen. Die Beobachtungen können entweder per Online-Formular, über die App „Vogelwelten“ oder auch telefonisch gemeldet werden. Den Inventurhelfern, von denen die wenigsten erfahrene Ornithologen sind, bietet der NABU Unterstützung in Form von Zählhilfen und Formularen zum Ankreuzen, auf denen bereits die häufigsten Wintervögel abgebildet sind. Schanz muss darauf in der Regel nicht zurückgreifen. Er kennt sich aus, ist begeisterter Vogelexperte und seit über 30 Jahren für den Verein „Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie“ in Mainz aktiv. Im KGV Buchenhau (gegründet 1920), dessen 65 Gärten sich über drei verschiedene Anlagen im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen erstrecken, ist er seit vier Jahren Mitglied. Überhaupt, Schanz ist Kleingärtner durch und durch. „Ich bin quasi im Kleingarten groß geworden.“ Seine Eltern hatten in seiner Heimatstadt Neuwied (Rheinland-Pfalz) eine Parzelle im Verein der Gartenfreunde Bogenstraße Neuwied. Und wie viele Vögel hat er nun im KGV Buchenhau gezählt? „Insgesamt 21 verschiedene Arten.“ Am häufigsten war die Ringeltaube, von der er in einem Moment während der Stunde die maximale Zahl von 19 Tieren gesichtet hat. Es folgen: Saatkrähe (7), Kohlmeise (4), Schwanzmeise, Stieglitz und Blaumeise (jeweils 3), Eichelhäher, Amsel, Haussperling, Buntspecht, Grünfink und Rotkehlchen (2). Jeweils vertreten durch ein Exemplar hat er folgende Arten beobachtet: Graureiher, Buchfink, Rabenkrähe, Gartenbaumläufer, Elster, Grünspecht, Tannenmeise, Mistel­drossel und Mäusebussard. Besonders gefreut hat Schanz sich über die Misteldrossel. „Weil sie eher selten vorkommt.“ Bundesweit ist übrigens der Haussperling die am häufigsten gemeldete Art, gefolgt von Kohlmeise und Blaumeise. Gibt es denn im Laufe der Jahre auch Verschiebungen? „Ja, zum Beispiel in so genannten Mastjahren, wenn in den Wäldern die Bäume besonders viele Früchte ausgebildet haben. Dann ist in den Wäldern das… Nahrungsangebot gut, und Waldarten wie Eichelhäher oder Buchfinken kommen seltener in die Gärten und Siedlungen, so dass sie dort seltener gesehen und gemeldet werden. Auch bei milderem Winterwetter ist rund um die Futterhäuser in den Gärten weniger Flugbetrieb und es werden weniger Arten erfasst.“ Schanz hält die Aktion für ein wertvolles Instrument. „Weil sie bürgernah ist und die Menschen dazu auffordert, sich mit der Natur in ihrem eigenen Umfeld zu befassen.“ Das Pendant zur Stunde der Wintervögel ist übrigens die Stunde der Gartenvögel im Frühjahr, die in diesem Jahr vom 12. bis 14. Mai stattfindet. Durch die gebündelten Daten der Zählungen ließen sich über die Jahre wertvolle Rückschlüsse auf die Artenvielfalt und die Entwicklung der Vogelbestände ziehen. So entstehe ein stärkeres Bewusstsein und eine größere Verantwortung für die Natur, sagt der 55-Jährige, der seit 2022 auch an der Fachberatergrundausbildung der Stadtgruppe Frankfurt der Kleingärtner e. V. teilnimmt. Ein paar einfach umzusetzende Tipps für mehr Artenvielfalt im eigenen Garten hat er bereits: „Grundsätzlich ist eine weniger intensive Nutzung immer besser für die Natur.“ Andererseits bietet ein vielseitiger naturgemäßer Anbau, insbesondere von Obst und Gemüse in Mischkultur, auch vielfältige Nahrungsmöglichkeiten für Insekten und Vögel. Und: „Bitte nicht falsch verstehen: Ordnung ist gut, aber der Natur ist es lieber, wenn es in einem Garten auch mal nicht so aufgeräumte Bereiche gibt.“ Dazu zählen Komposthaufen, Totholzhaufen für Igel oder abgestorbene Stauden, die als Überwinterungsplatz für Wildbienen und andere Nützlinge dienen, von denen dann wiederum die Vögel profitieren. „Vorteilhaft ist auch, wenn zum Beispiel die Wiese mal etwas höher wachsen darf, damit Kräuter blühen können und den Insekten Nahrung bieten.“ Ganz grundsätzlich gehe es um die richtige Mischung, damit der Kreislauf der Natur erhalten bleibt und wirken kann. Schanz ist überzeugt: „Die Rolle der Kleingärten in Sachen Naturschutz und Artenvielfalt wird häufig unterschätzt.“ Als ausgebildeter Fachberater möchte er deshalb auch bei diesen Themen den anderen Mitgliedern im KGV Buchenhau künftig zur Seite stehen. Hier gibt es die deutschlandweiten Ergebnisse und weitere Infos zu den Vogelzähl-Aktionen des NABU: www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/stunde-der-wintervoegel/index.html                                                            

Jörg Nowicki