Mehr öffentliche Aufmerk­samkeit für Naturgärten

Seit Jahresbeginn ist der Landesverband der Gartenfreunde Baden-Württemberg e. V. Mitglied bei Natur im Garten Deutschland e. V. und damit berechtigt, Naturgärten zu zertifizieren und mit einer Plakette auszuzeichnen.   

Die Überlegung, sich einer Naturgartenorganisation anzuschließen, gab es schon länger und so rannte die in unserem Verband wohlbekannte ehemalige Staatssekretärin im MLR, Frau Gurr-Hirsch, quasi eine offene Tür ein, als sie in Person der Präsidentin des deutschen „Ablegers“ Natur im Garten Deutschland e. V. den Kontakt zu Frau Lackner, der Geschäftsführerin vom österreichischen Dachverband von Natur im Garten e. V., vermittelt hat.    
Und da unsere Ziele im Bereich der naturnahen Gartenbewirtschaftung deckungsgleich sind, war der Beitritt des Landesverbandes zum deutschen Dachverband durch Beschluss des Landesverbandsbeirates eigentlich nur noch eine Formsache.    
Wie von der Landesfachberatung wird das „Gärtnern nach dem Vorbild der Natur“ von Natur im Garten völlig unideologisch gesehen: so werden z.B. „Exoten“ nicht von vornherein scheel angesehen, sondern nach Prüfung ihrer Wertigkeit für die heimische Fauna und hinsichtlich möglicher „invasiver Fähigkeiten“ auf die Positivliste gesetzt. Die Organisation Natur im Garten e. V. wurde 1999 in Niederösterreich zum Zweck der Beratung von Privatleuten, Schaugärten, Kommunen u.a. Partnern gegründet, setzt sich für mehr Natur in Privatgärten ein und bietet Schulungen und umfangreiches Informations- und Lehrmaterial an (https://www.naturimgarten.at).      
Gartenbesitzer/innen, die ihren Garten naturnah bewirtschaften, haben die Möglichkeit, diesen anhand eines Kriterienkataloges zertifizieren zu lassen.     
Dazu werden im kommenden Frühjahr 12 Gartenfreundinnen- und freunde zu Naturgartenzertifizierer/innen ausgebildet, die dann die angemeldeten Gärten besuchen und prüfen, ob diese u.a. folgende Kriterien erfüllen: Keine Verwendung von Torf sowie chemisch-synthetischer Dünge- und Pflanzenschutzmittel, Abfallvermeidung durch Kompostierung sowie Förderung der Biodiversität durch „tierfreundliche“ Pflanzen und Unterschlupf-/Nistmöglichkeiten. Ist das der Fall, erfolgt die Zertifizierung und der/die stolze Naturgärtner/in bekommt ein Emailleschild mit dem Logo von Natur und Garten e. V., das dann an der Gartentüre oder Zaun die Gäste oder Passanten neugierig macht – und vielleicht auch erklärt, warum der Rasen nicht nur schön grün ist, sondern bunt blüht…     

Bei dieser Gelegenheit gleich ein paar Worte zum Thema „Naturgarten“, der eben kein Garten ist, der der Natur zur alleinigen weiteren Nutzung überlassen wird – Sie wissen, was damit durch den Löwenzahn gesagt sein soll – sondern ein Garten, der
a)  nach dem Vorbild der Natur gepflegt wird und der sich      
b) durch eine zielgerichtete Förderung der Biodiversität auszeichnet, also durch geeignete „zusätzliche Einrichtungen“ möglichst vielen Pflanzen und Tieren einen Lebensraum bietet.    

Naturnahe Gärten erfordern folglich eine wohlüberlegte, auf den äußeren Rahmenbedingungen (Bodenart und Nährstoffreserven, Lokalklima, vorhandene Lebensräume in der Umgebung etc.) aufbauende Gartengestaltung, z.B. mit Lesestein- oder/und Totholzhaufen, Trockenmauern, Sandarium (offene Sandfläche für bodenbrütende Wildbienen), Wasserstelle, fachlich richtig ausgeführte Wildbienenhotels und Nistmöglichkeiten für andere Tiere sowie eine durchdachte Pflanzenauswahl: Insektenfreundliche Pflanzen, idealerweise so kombiniert, dass ein durchgängiges Nektar- und Pollenangebot von Spätwinter bis Spätherbst gegeben ist, Wildobstgehölze und – ganz wichtig – die Wahl robuster, wenig schädlingsanfälliger Sorten bei Gemüse und Obst.    

Über allem aber steht gerade bei Kleingartenparzellen die Einhaltung der „Kleingärtnerischen Nutzung“, d.h. mindestens 1/3 der Parzellenfläche muss (!) für den Anbau von Gemüse und Obst genutzt werden, wobei mindestens 1/6 der Parzellenfläche als Gemüsebeete anzulegen sind – idealerweise als Mischkulturen. Diese „Drittelnutzung“ ist auch in einem Naturgarten zwingend einzuhalten!    

Auch – und ganz besonders für einen Naturgarten gilt: Wenn schon auffallen, dann bitte positiv – sprich: Der optische Eindruck sollte nicht vergessen werden.  
Es macht nämlich einen großen Unterschied, ob ein Totholzhaufen so aussieht, als ob er nur auf den Häcksler wartet oder ob er geordnet geschichtet am richtigen Platz – also eher im Hintergrund als gewollt wirkt – und zur „Krönung“ noch von einer Kletterpflanze umschmeichelt wird.   
Auch ein Lesesteinhaufen muss nicht so aussehen wie von der Ladefläche gekippt, sondern kann durch „handwerkliches“ Aufschichten und lockeres (!) Bepflanzen mit geeigneter „Fugenvegetation“ oder den „Mittelmeerkindern“ unter den Gewürzkräutern zu einem Hingucker werden.   
Dickere Totholzäste, Stammabschnitte oder bizarre Wurzelstöcke können in naturnahe Staudenrabatten integriert werden – je durchdachter und ansprechender ein solcher Naturgarten gestaltet ist, desto mehr Werbung macht er für die gute Sache!   
Daher sollten wirkliche „Naturgärtner/innen“ großen Wert auf einen optisch positiven Eindruck ihrer Parzelle legen, denn auch hier sagt ein schönes Bild mehr als hundert Worte.    

Während sich im Frühling und Sommer Naturgärten meist nicht allzu stark von den sie umgebenden „konventionell bewirtschafteten“ Gärten abstechen, bieten sie im Spätherbst und über den Winter durchaus Diskussionsstoff, denn der „Generalrückschnitt“ findet aus guten – auch gartenfachlichen! – Gründen erst im Frühjahr kurz vor dem Neuaustrieb statt.    
Interessanterweise finden wohl alle Menschen bei einem winterlichen Morgenspaziergang in der Sonne glitzernde frostbereifte Samenstände schön – aber nur in der freien Natur…    
Hier muss von uns Naturgärtnerinnen- und gärtnern noch ein bisschen Überzeugungsarbeit geleistet werden.    

Wer schon einmal beim Siedler- oder Kleingartenwettbewerb mitgemacht hat, kennt auch unseren Kriterienkatalog, bei dem die naturgemäße Gartenbewirtschaftung schon bisher einen erheblichen Teil der Bewertungspunkte umfasst, d.h. sie war und ist auch zukünftig die Voraussetzung für eine gute Platzierung der Anlage. Werden dazu noch die – eigentlich selbstverständlichen – von Natur im Garten geforderten zentralen Voraussetzungen erfüllt, dann steht  einer Auszeichnung als „Naturgarten“ nichts mehr im Wege.    
Wir vom Landesverband freuen uns darauf, dass jetzt in ganz Baden-Württemberg die Zahl der zertifizierten Naturgärten kräftig steigt und wir zusammen mit Ihnen unseren Rückstand gegenüber anderen Bundesländern aufholen können.   

Harald Schäfer, Fachberatung