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„Sie gelten als die großen Recycler in Ökosystemen, zersetzen abgestorbenes Material und stellen Bäumen und Pflanzen so immer wieder Nährstoffe, Mineralien und Wasser neu zur Verfügung. Viele leben in Symbiose mit Pflanzen, aber auch Tieren, zu beiderseitigem Vorteil. Auch wir Menschen profitieren von ihnen – ohne Pilze kein Brot, kein Bier, kein Wein!“
In Kooperation mit dem BUND (Ortsgruppe Spaichingen) und der VHS Spaichingen veranstalteten die Gartenfreunde Spaichingen e.V. im Beisein pilzkundiger Sachverständiger eine Exkursion in eben diese unbekannte und zugleich faszinierende Welt der Pilze. Während eines zweieinhalbstündigen Lehrgangs konnten die interessierten Anwesenden erstes Grundlagenwissen zur Bestimmung von Pilzen erfahren. Die Pilzsachverständigen Helmut Sander und Heinz Frings rieten gleich zu Beginn, dass Anfänger nicht ohne erfahrene Begleitung losziehen und sammeln sollten. Um Pilze sicher zu bestimmen, braucht es viel Erfahrung und Wissen. Es gibt viele Merkmale, die man berücksichtigen muss, wie z.B. Hutform, Lamellen, Stiel, Geruch, Geschmack, Sporenpulver und Standort. Laut Helmut und Heinz ist die klassische Zeit für Pilze Ende August bis in den Oktober hinein, je nach Witterung, obwohl es eigentlich das ganze Jahr über Pilze gibt.
Für Steinpilze (Boletus edulis) ist das Zeitfenster kleiner und liegt bei Ende August bis Anfang September. Der Steinpilz gehört wegen seines Aromas zu den beliebtesten Pilzen. Zu finden ist er in Nadel- und Mischwäldern auf nicht kalkigen Böden. Wir hatten also das Nachsehen, denn mit den lokalen Gegebenheiten war die Fundwahrscheinlichkeit aussichtslos. Auch wenn uns die Entdeckung des Mehl-Räslings (Clitopilus prunulus) kurzzeitig hoffen ließ, auch Steinpilze zu finden. Ist doch der Mehl-Räsling bekannt dafür, Steinpilzvorkommen anzuzeigen und in dessen Nachbarschaft zu gedeihen. Auch der Mehl-Räsling ist ein ergiebiger Speisepilz mit weißer Hutoberfläche, herablaufend angewachsenen Lamellen und rosa Sporen. Umso häufiger begegneten wir dem Täubling (Russula). Geschätzt 750 Arten weltweit, zählen zu den Täublingen und mit über 320 Arten sind sie bei uns in Mitteleuropa für den Bestand unserer Wälder unverzichtbar. Einige von ihnen sind sehr beliebte Speisepilze und Heinz führte uns bei jedem Fund die charakteristischsten Merkmale wie spröde Lamellen und das glatt wie eine Karotte brechende Fleisch vor. Heinz erklärte uns den glatten Bruch mit den eingelagerten Kugelzellen im Pilzfleisch. Essbare Täublinge dürfen im Geschmack außerdem nicht bitter und oder scharf sein. Wenige Schritte weiter erregt ein büschelig wachsender, rosa schimmernder Pilz an morschem Totholz unsere Aufmerksamkeit. Eine Geruchsprobe (Nitrat, leicht chlorig) an den Lamellen identifizierte ihn als Nitrat-Helmling (Mycena renati). Weitere Funde dieser Art waren der blaugraue Rettich-Helmling und der rosa Helmling. Klein, weiß und mit gebuckeltem Hut präsentierte sich uns der seidige Risspilz (Inocybe geophylla). Sein Hut ist zunächst konisch und dann gewölbt bucklig. Seine Helmoberfläche ist weiß und fasrig-seidig. Im Alter biegt sich der Hut hoch und reißt mehrfach ein. Dieses Exemplar roch spermatisch, wobei andere auch nach Birne oder Bittermandel riechen können. Alle Risspilze sind toxisch und sollten nicht auf dem Teller landen. Den Fenchelporling (Osmoporus odoratus) entdeckten wir an alten Fichtenholzstümpfen. Seine Fruchtschicht bestand nicht aus Lamellen, sondern aus Poren, aus denen es leicht nach Honig/Fenchel roch. Für Staunen sorgte die Entdeckung des rotrandigen Baumschwamms – oder auch Fichtenbaumschwamm genannt. Entgegen dem zu erwartenden Habitat wuchs dieses Exemplar an einem Laubbaum, frei nach dem Motto: „Entdecke die Möglichkeiten.“ Inmitten erdigem Waldboden leuchteten uns kleine kräftig gelbe Flecken entgegen. Bei genauerer Betrachtung nannte Heinz uns die Gelbe Lohblüte, ein Schleimpilz, der nicht essbar ist und in unserer Gegend umgangssprachlich auch als Hexenbutter bezeichnet wird. Die Lohblüte wird seit jüngster Zeit nicht mehr zu den Pilzen gezählt, da sie sich zwar sehr langsam, aber stetig, fortbewegen kann. In unweiter Nachbarschaft zur „Hexenbutter“ gediehen prächtige Igelboviste. Seine Fruchtkörper sind kugelig und haben keine Lamellen. Sie sind besetzt mit hell-gelbbraunen weichen Stacheln. Der Igelbovist ist essbar, solange sein Fruchtkörper weiß ist. Mit dem Altern bräunt der Fruchtkörper ein und stäubt. In diesen Zustand ist ein Verzehr nicht mehr ratsam. Weitere namhafte Entdeckungen waren auf unserem Lehrgang der Ockerbraune Trichterling, der Flaschen-Stäubling (im Volksmund oft fälschlicherweise als Flaschenbovist bezeichnet) und der Kupferrote Gelbfuß. Eine Besonderheit war der Fund des Dunkelvioletten Schleierlings. Seine auffällige Färbung macht diesen Pilz zu einer prächtigen Erscheinung, wobei dieser nur großartig aussieht. Laut Helmut liege der dunkelviolette Schleierling geschmacklich zwischen Zedernholz und abgebrannten Autoreifen, was ihn zu einem unattraktiven Speisepilz macht. Unbestrittener Star der Pilzexkursion war Helmuts Sichtung eines Kegeligen Saftlings (Hygrocybe conica). Wegen des glasigen/ wachsartigen Fleischs werden sie auch als Glasköpfe bezeichnet. Saftlinge fallen durch knallig gefärbte Fruchtkörper auf. Unser Saftling hatte einen leuchtend orangenen Fruchtkörper. Sie wachsen gewöhnlich auf nährstoffarmen Standorten. Sie sind deshalb Zeigerarten für die Gütebeurteilung von Biotopen. Alle Saftlinge stehen in Deutschland unter Naturschutz.
Fazit: Jetzt im Herbst erscheinen uns Pilze wie faszinierende Lebewesen, die in vielen Formen, Farben und Geschmäckern vorkommen. Sie können essbar sein, aber auch giftig oder halluzinogen. Inzwischen gibt es viele Apps, die eine Pilzbestimmung einfach und unkompliziert erscheinen lassen. Auch wenn in unterschiedlichen Foren diese Apps als nützliche Helfer ausgelobt werden, ersetzen sie keinesfalls fachkundiges Wissen! Unsere Pilzsachverständigen Helmut und Heinz raten eindringlich von solchen Pilz-Bestimmungs-Apps ab, zu hoch ist die Fehlerquote. Gerade bei der Bestimmung verzehrbarer Arten kommt es auf die Kombination sensorischer Merkmale wie Geruch, Haptik und Geschmack usw. an, was Apps nicht leisten bzw. bieten können.
Quelle: https://www.planet-wissen.de/video-die-fantastische-welt-der-pilze-100.html.de
Sandra Apholz